Der tägliche Blick in die Welt richtet sich heute auf die Informationskultur im Internet, einen drohenden Krieg in Bosnien-Herzegowina, den Kniefall Camerons vor China und dem Treibhausgasimport der deutschen Bauern.
Kommentar
Gelegentlich bekomme ich nette Zuschriften über verschiedene Kanäle, die mit einer gewissen Echauffiertheit mein „Unwissen“ thematisieren. Mich erstaunen solche Anwürfe vor allem deswegen, weil es in einer komplexen Welt, in der wir alle zweifelsohne leben, gar nicht erst den Anspruch geben kann, dass jemand alles weiß. Gleichwohl sehen wir auf vielen Internetseiten, die sich mit Nachrichten und ihrer Einordnung beschäftigen, genau diese Behauptung. Man weiß etwas. Man weiß mehr oder gar alles, in jedem Fall aber etwas Anderes. Das System wurde verstanden. Erst diese Haltung macht es möglich, zu komplexen Themen eine sonderbar zugespitzte Meinung zu kommunizieren und in sie in Form einer zugänglichen Satire abzuhandeln.
In meinen Augen eine selbstgestellte Falle, die es zu überwinden gilt. Vielmehr müssen wir unsere Irrtümer und unsere erkannten Lücken thematisieren, um uns in die Lage zu versetzen, eine Ansicht oder eine Analyse korrigieren zu können. Statt also den schnellen Zuspruch gewinnen zu wollen, indem das angebliche Unwissen der anderen thematisiert wird, müsste man sich den eigenen Fehlern stellen. Die vermeintlich zu bildende Medienkompetenz der Leser kann nicht dazu führen, dass eigene Fehler und Lücken nur der Erziehung anderer dienen sollen. Ihre Berücksichtigung also abgelehnt wird. Die Folge könnte eine größtmögliche Annäherung an die Wahrheit sein.
Aber…
Es existiert durchaus eine Wahrheit, die für Menschen sehr schwer greifbar ist. Die Schwierigkeit bei ihrer Erfassung liegt aber nicht so sehr auf der Ebene der Informationen, wie es der durch die Informationsflut im Internet geprägte Zeitgeist momentan annimmt, sondern in ihrem Abgleich mit der eigenen politischen Meinung, die bei uns Menschen sehr emotional besetzt ist.
So haben beispielsweise Menschen, die sehen wie jemand zusammengeschlagen wird, instinktiv das Bedürfnis, den Schläger zu bestrafen. In politischen Diskursen funktionieren durch diesen Instinkt die moralischen Abgleiche sehr gut, mit denen eine Tat gegen die andere aufgewogen wird. Oder auch der Hinweis, dass die anderen auf einem Land X rumhacken, weswegen es Verständnis und Zuneigung braucht.
Die politische Meinung konstituiert unser Leben, unser Dasein. Dieses Emotionale manifestiert sich in einer politischen Überzeugung, abseits aller verfügbaren Informationen. Im Gegenteil, wendet es sich gewissen Informationen zu. Der Standpunkt des Einzelnen wird somit zur wichtigsten Information überhaupt und ist keinesfalls ein Grund für Aktivismus dagegen, sondern vielmehr als Hinweis zu verstehen, wie Meinungen und Informationen zu genießen sind.
Nicht „Vertraue niemanden“ ist demnach die Devise, sondern „Vertraue nicht dir selbst“.
Themen in Beobachtung
- In Bosnien-Herzegowina krachts (Foreign Policy)
Die Republik Srpska (serbisch) ist wenigen Menschen ein Begriff, aber in Europa gelegen. Bei der Welt findet sich eine kleine Reportage über sie. Die Republik gilt als eine Entität des Staates Bosnien Herzegowinas und genießt eine gewisse Unabhägigkeit seiner Institutionen. So anmutig die Republik manchem als Tourismusziel erscheinen mag, so nationalistisch wird sie regiert, was unter anderem zur Folge hat, dass viele Vertriebene des Bosnienkrieges nicht heimkehren können.
Und weil es mit der Autonomie ja nie genug ist und es immer noch besser geht, zum Beispiel durch die Unabhängigkeit, arbeitet man nun auf diese hin. Dafür soll es eine Volksabsstimmung geben. Bei der Staatenbildung wurden Srpska seinerzeit 49% der Landmasse zugesprochen. Ihr Gegenpart ist die bosnisch-kroatische Förderation. Und worum geht es wirklich?
Throughout these provocations, Moscow has backed Republika Srpska. The Russian ambassador to Bosnia, Pyotr Ivantsov, has stated that the referendum is an internal matter for the country and has expressed his sympathy toward Republika Srpska complaints over the state judiciary. Russian ambassadors have been notable in their refusal to support the international community’s efforts to stop Dodik’s attempts to tear Bosnia apart, as well as in their opposition to Bosnia’s EU and NATO membership, issues that they had earlier agreed to.
Wir kennen das ja aus Moldawien, der Ukraine und vielleicht bald auch aus Syrien. Ergänzen würde ich aber noch, dass auch China in der Region eine Rolle spielt. Gewohnheitsgemäß wissen wir darüber wenig, aber die EU hat sich damit abgefunden, dass China investiert. Ob da nun ein brauchbares Vehikel gen Russland entstanden ist, vermag ich momentan nicht zu beurteilen. Aber mal wieder droht ein kleiner Staat zum Brennpunkt für Größeres zu werden. Russland kreist Europa mit hybrider Kriegsführung und seperatistischen Vorgängen ein.
Große Unbekannte: ISIS und die Radikalisierung
- Studie zur Luftverschmutzung (Handelsblatt)
Das sind ja mal Zahlen! Im Kern ist es natürlich keine Überraschung, dass die meisten Smogtoten in Bevölkerungsreichen Ländern zu verzeichnen sind. Und dennoch gibt es einige Bonmots. Ein hoher Anteil der Emission entsteht durch Kleinfeuer in Entwicklungsländern und Deutschland ist als Transitland ungewöhnlich hoch belastet. Auch ist nicht die Industrie das größte Problem, sondern die Landwirtschaft. Da auch die deutsche Landwirtschaft auf Export ausgerichtet ist, findet hierdurch ein Treibhausgasimport statt.
In Europa sind Feuerstellen und Stromgeneratoren inzwischen Geschichte. Für die meisten Smogtoten ist hier die Landwirtschaft verantwortlich. Denn durch übermäßige Verwendung von Düngemitteln und Massentierhaltung gelangt Ammoniak in großen Mengen in die Atmosphäre und begünstig die Entstehung von Feinstaub.
- Die Skandale bei der Deutschen Bank nehmen kein Ende (Süddeutsche)
Natürlich hat die Deutsche Bank nun höchstvermutlich auch noch gegen die Sanktionen gegen Russland verstoßen. Man verhandelt derweil noch über eine Lösung der Verstöße der Sanktionen gegen den Iran und schon kommt der nächste Fauxpas zu Tage. Die Geschäfte liefen 2011 bis 2015, von einem kulturellen Wandel kann also nicht die Rede sein. Eine unmittelbare Folge wird sein, dass nun in Frage steht, ob die Deutsche Bank den aktuellen Umbau ohne weitere Kapitalerhöhung wird stemmen können. Man darf zumindest davon ausgehen, dass die letzten Quartalszahlen die Entwicklung bereits antizipierten.
Wie teuer der mögliche neue Ärger für die Deutsche Bank werden könnte, ist noch völlig unklar. In den Frankfurter Doppeltürmen aber fürchten viele, er könnte die „Dimension von Libor“ einnehmen. Für die Manipulation des Referenzzinssatzes Libor hatte die Bank unlängst 2,5 Milliarden Euro gezahlt.
- Die Seidenstrasse (New Statesman)
Ich weiß, schon wieder die Seidenstraße. Aber zum einen ist der fehlende Part in unserer Weltbetrachtung ohnehin China und zum anderen hat der Artikel eine Gewichtung, die nochmals abweicht. Nach den geostrategischen Aspekten der FT, der Übernahme südosteuropäischer Wirtschaftsforderung durch China beim Handelsblatt (AT), folgt nun (auch) die Wertediskussion.
Across the Silk Roads, from east to west, north to south, the message is the same: the West should disengage from ill-thought-through attempts to spread views that it treats as objective truths; it should forget its mantra of liberation and democratisation – and mind its own business.
[..]
It was no accident that George Osborne visited Xinjiang on his recent trade mission, nor that he was congratulated by Chinese state media for his “diplomatic etiquette” for not “raising the human rights issue”.
Da der Werte- und Kulturtransfer nie einseitig ist, sollten wir uns hierzulande jedenfalls nicht klein machen. Was da gerade in GB passiert ist zumindest mir momentan nicht ganz klar. Es sieht auf den ersten Blick so aus, als ob man sich verzweifelt China an den Hals wirft. Die Erklärung könnte aber auch in den Nebenabsprachen zu finden sein, die wir noch nicht (er)kennen.
Intifida 3.0: Tod eines Steinewerfers
Und so wird jeder Tod zum Bindungserlebnis für jene, die bleiben. In dem Video gibt es eine Stelle, in der jemand sagt, dass der Märtyrer nun ruhen darf. Ausruhen vom Leben, welch sonderbare Wahrnehmung unserer Seins.
Nächste Buchrezension im Blog:
- Atef Abu Saif – Frühstück mit der Drohne (Über den Krieg in Gaza aus der Erlebnisperspektive eines Bürgers.)
Buch (am Lesen):
- Ray Bradbury – Fahrenheit 451 (Für mich dann abschließendes Werk aus der (Gegenwartsdystopie-Reihe.)
Bücher (zu lesen):
- John Lloyd & Laura Toogood: Journalism and PR (Auf die Studie stieß ich durch einen Artikel in der NZZ und einige Thesen klangen verheißungsvoll.)
- Wendy Brown auch endlich ein Buch in Deutschland veröffentlichen darf. Lange genug hat es gedauert und ich habe an verschiedenen Stellen dafür geworben, da sie eine der schärfsten Beobachterinnen unserer Zeit ist.)