Heute geht es um den Kapitalismus, warum die Linke keine Alternative ist, 7.000 verschiedene Rebellengruppen in Syrien sowie den Untergang Saudi Arabiens. Aber keine Sorge, dem Iran gehts auch nicht gut.
Was lesen?
Wer von Deutschland aus auf Vice.com geht, wird automatisch auf die deutsche Seite von Vice umgeleitet. Ein Hort der Schrecklichkeit. Während das US-Pendant schon erträglicher ist, findet sich der gute Kram bei Vice News. Mit gut ist gemeint, dass den Texten viel Hintergrund beigemischt wird und die Themenvarianz sich nicht am vermeintlich „heute besonders wichtig“ orientiert. Im Kontext der letzten Tage ist auch zu bemerken, dass Vice US recht klar über die Schuld des US Militärs beim Bombenabwurf auf ein Krankenhaus in Kunduz berichtet hat.
Kommentar
Wenn man sich heute fragt, warum die Linken in Europa keine Durchschlagskraft haben, obwohl doch viele Probleme offensichtlich sind, die sie proklamieren und angehen wollen, dann ist es hilfreich Gregor Gysi auf Twitter oder Facebook zu beobachten. Es wirkt ein wenig wie der Konsum von Buddha-Zitaten. Alles ganz sinnvoll und irgendwie richtig und empörenswert. Aber eben auch vielseitig verwendbar.
So geht es mir mit wirklich vielen Denkern. Und auch wenn ich dem Buch von Saskia Sassen nicht vorweggreifen möchte, ist dieses Beispiel hier wichtig. Denn es ist eine immer wiederkehrende Darstellung linker Denker, die durchaus nicht falsch ist. Die Frage die uns in Sachen Steuern beschäftigen sollte, ist, warum die Staaten dieser Welt dazu neigen, den Unternehmen und Reichen gegenüber so nachsichtig zu sein?
Der leichte Weg: Politiker sind doof und lassen sich durch Lobbying beeinflussen. Sie werden durch Vorträge und mit Pöstchen nach ihrer Amtszeit bestochen. Und so weiter.
Der weniger leichte Weg: Unternehmen drohen damit ihren Unternehmenssitz zu verlegen. Man muss ihnen im Steuerwettbewerb also Anreize bieten, damit sie nicht abwandern. Nebst guter Finanzinfrastruktur und einem innovativen Umfeld, ist das auch eine gewisse Nachlässigkeit beim Thema Steuereintreibung.
Der komplizierte Weg: Zwar esxistiert ein gewisser Steuerwettbewerb zwischen den Ländern, doch ist die Hürde für Unternehmen, ihrem Heimatland den steuerlichen Rücken zuzukehren, während sie zugleich dort Standorte pflegen, recht hoch. Es passiert recht selten. Jedes Land, das im globalen Wettbewerb eine merkliche Rolle spielen möchte, steht vor dem Problem, dass es „seinen Unternehmen“ Wettbewerbsvorteile verschaffen möchte. Steuersenkungen für Unternehmen, auf offiziellem Wege, sind politisch nicht durchsetzbar. Schlupflöcher hingegen schon. Werden sie genutzt, werden sie genutzt. Der Anreiz, dem staatlicherseits nicht entgegenzuwirken, weil dadurch die eigenen Unternehmen international geschwächt würden, ist famos hoch. Deswegen scheuen sich auch Landesbanken nicht vor der Steuerflucht.
Die politische Aufgabe ist weniger soziale Gerechtigkeit zu schaffen, denn die wäre adhoc zu erreichen, sondern eine soziale Gerechtigkeit zu generieren, ohne dass dadurch wirtschaftlich allzuviel verloren geht. Die Linke bietet also vieles, aber keine Antwort auf die entscheidenden Fragen entgegen dem systemischen Hamsterrad. Deswegen musste es seitens der linken Denker auch immer gleich eine Revolution sein, die das Bestehende zerstört.
In diesem Denken liegt für mich seit jeher das Autoritäre begründet, zu dem die linke Weltsicht immer wieder führte und neigt. Denn in der Revolution ist eine ungewöhnliche Machtakkumulation auf Wenige notwendig, die anschließend schwer zurückzudrehen ist. Vor allem aber immer zu Gewalt führt, mit der diese Macht sich zu erhalten versucht. Das betrifft natürlich auch Revolutionen andersseitiger Art. Ein evolvierendes Fortschreiten ist sinnvoller. Die Ausnahme ist entgegen eines repressiven Herrschaftssystems zu sehen, in dem wir uns zumindest in Deutschland aber nun wahrlich nicht befinden.
Themen in Beobachtung
Außerhalb Deutschlands tobt eine recht spannende Debatte darüber, welcher Protagonist im Nahen Osten eigentlich welche Probleme hat. Nicht zu übersehen ist dabei, dass Russland, durch die Personalisierung „Putin“, dabei vor allem mit psychologischen Mustern erkundet wird. Während bei den anderen Staaten hauptsächlich die harten Fakten eine Rolle spielen. Sie werden als Staaten wahrgenommen, nicht als Einzelpersonen. Ein wenig erinnert das an den Diskurs über das Handeln von Politikerinnen, bei denen oftmals auf die Friseur geachtet wird. Anders gesagt: Putin hat den größten Pokal von allen und ist dennoch die Frau unter den geopolitischen Akteuren.
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Es gibt heute vier Artikel zu betrachten, die alle zusammengehören.
- Steht Saudi Arabien vor dem Kollaps? (Foreign Policy)
- Es bildet sich eine Opposition in Saudi Arabien (Guardian)
- Wird Syrien das „Vietnam“ des Irans? (Vice News)
- Alle sind böse: Eine Analyse der Lage in Syrien durch Alexander Baunow (Dekoder)
In all dem finden sich auch weitere Hinweise auf die Ängste jedes einzelnen Akteurs. So leidet nicht nur Russland unter den niedrigen Ölpreisen, sondern auch Saudi Arabien, während es dem Iran schwer fallen wird, größere Förderkapazitäten aufzubauen. Und während sich in Saudi Arabien eine immer stärkere interne Opposition (auch gegen die Proxywars) bildet, ist der Iran in verschiedenen Kriegen gefangen, aus denen er momentan nicht mehr herauskommt, die aber immer weiter eskalieren. Auch hier bei einer wachsenden Opposition, denn seit dem Iran-Deals duftet nicht nur der sanfte Geruch der Freiheit, sondern auch der Geruch des Geldes per Geschäft. Dabei stören Abenteuer wie in Syrien, im Jemen, im Irak und im allgemeinen gegen den Daesh. Dem entgegen steht ein jedes Mal eine Art von Einfluss- oder Gesichtsverlust, wenn eine Niederlage eingesteckt oder ein Zurückweichen verzeichnet wird.
Das absurde an der momentanen Situation scheint, dass eigentlich allen der Frieden ein größerer Anreiz sein müsste als der Krieg. Nur scheint der Krieg vor dem Frieden stehen zu müssen. Davon ausgenommen ist natürlich ISIS.
Iran
Of course, Syria isn’t the only country where the Iranian military is involved. The situation in Iraq affects Iran’s commitments and capacity on the ground in Syria, and the status of Iranian proxy militias has waxed and waned along with events next door. Following the fall of Mosul to the Islamic State in summer of 2014, Iraqi militias redirected from fronts in Syria to fronts in Iraq, requiring Hezbollah to step up to compensate. As Esfandiary explains, „if [Iraq is] calmer, then that frees up some of Iran’s resources to focus a little bit more on Syria, which is of course the second priority.“
Saudi Arabien
The result is a budget deficit approaching 20 percent, well over $100 billion, requiring the Saudis to deplete their huge foreign exchange reserves at a record rate (about $12 billion per month) while also accelerating bond sales. The Saudis have reportedly liquidated more than $70 billion of their holdings with global asset managers in just the past 6 months.
Russland
Die dritte Frage ist, wen außer dem IS es in Syrien noch gibt und ob alle übrigen Kräfte tatsächlich der vielzitierten demokratischen Opposition angehören, die in Wirklichkeit weniger eine demokratische als eine sunnitische Opposition ist. Die New York Times zum Beispiel schreibt, die russischen Luftschläge hätten Stellungen der Al-Nusra-Front zum Ziel gehabt. Aber diese Al-Nusra-Front ist ein Ableger von Al Qaida, und sie hat schon zu einer Zeit, als der IS noch nicht in Syrien agierte, in der christlichen Stadt Maalula im Südwesten des Landes – einem einzigartigen Ort, wo bis heute Aramäisch gesprochen wird – ein Massaker angerichtet. So eine Gräueltat steht denen des IS in nichts nach. Sollten Stellungen der Al-Nusra von den Luftschlägen getroffen worden sein, muss man also sagen, das haben sie verdient.
Es gibt in Syrien ungefähr 7.000 verschiedene Rebellentruppen, die teilweise zusammenarbeiten. Man kann sich das, so betrachtet, also einfach raussuchen.
Europa oder der Tod
Nächste Buchrezension im Blog:
- Robert James Fletcher – Inseln der Illusionen
Buch (am Lesen):
- Saskia Sassen – Ausgrenzungen: Brutalität und Komplexität in der globalen Wirtschaft (Auf das Buch stieß ich während meines Berlin-Besuchs. Es passt sehr gut zu den vielen Gesprächen die ich führte und die hier noch zu verarbeiten sein werden.)Wendy Brown – Die schleichende Revolution: Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört (Es ist mir entgangen, dass
Bücher (zu lesen):
- Wendy Brown auch endlich ein Buch in Deutschland veröffentlichen darf. Lange genug hat es gedauert und ich habe an verschiedenen Stellen dafür geworben, da sie eine der schärfsten Beobachterinnen unserer Zeit ist.)
- Katja Gloger – Putins Welt (Der Berlin Verlag stellt mir netterweise eine Rezensionsexemplar zur Verfügung. Das Buch kommt in die Reihe, da mir mehrere Empfehlungen zukamen. Ich versuche keine Erwartungen hineinzulegen.)
- Ray Bradbury – Fahrenheit 451 (Für mich dann abschließendes Werk aus der (Gegenwartsdystopie-Reihe.)
Die Dokumentationen von Vice News (nicht die deutsche Variante) finde ich auch bemerkenswert.
„… dass Russland, durch die Personalisierung “Putin”, dabei vor allem mit psychologischen Mustern erkundet wird. … Während bei den anderen Staaten hauptsächlich die harten Fakten eine Rolle spielen. Sie werden als Staaten wahrgenommen, nicht als Einzelpersonen.“
Hierzu passt als Erklärung gut der heutige Artikel im Spiegel Online über Swetlana Alexijewitsch: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/swetlana-alexijewitsch-portraet-ueber-literaturnobelpreis-traegerin-2015-a-1056900.html
Sie sagt: „It’s not just Putin. It’s the Putin who is in every Russian.“ Ich denke es hängt einerseits mit dem über die Jahre entwickelten Gemütszustand des „Homo Sowjetikus“ zusammen (tatsächlich ein psychologisches Muster), andererseits mit der schrillen allgegenwärtigen Propaganda den russischen Medien in den letzten 2 Jahren, die sich in die Köpfe der Russen eingebrannt und sie gleichgebürstet hat. Ich kann mit keinem meiner russischen Freunde mehr vernünftig reden, sie rezitieren alle nur noch die Stereotypen von RT und Co. Das war früher etwas anders.
Ich fürchte das Eingreifen Putin/Russlands in Syrien hat auch nicht viel mit harten Fakten zu tun, sondern vielmehr mit der psychologischen Kränkung, nachdem er/es letztes Jahr von Obama als „Regionalmacht“ bezeichnet wurde.
Zu dem Vorgehen in Syrien habe ich noch keine wirklich schlüssige Idee entwickelt. Das ist sehr vielfältig. Am ehesten neige ich dazu, darin den Versuch zu sehen, dem Westen ein Paket anzubieten aus der Ukraine, ISIS und der Militärbasis in Syrien zu schnüren.
Zugleich schlägt Putin damit aber auch die Tür gen Türkei zu. Erdogan wird einen Teufel tun, sich in Sachen Pipelines und Energie nun noch mehr an Russland zu binden.