Heute geht es um den Preis des Friedens im Iran, die bedrohte Pressefreiheit in der Ukraine, neue Bande zwischen China und Belarus sowie den vergessenen Krieg im Jemen. Manchmal hängen die Themen zusammen und gelegentlich auch nicht. Zwei neue Elemente wurden dem Format beigefügt, ansonsten scheint es sich langsam zu finden.
Kommentare
Heute fand ich niemanden, dem ich widersprechen wollte. Dafür wurden die Themen in Beobachtung ausführlicher besprochen.
Wen lesen? (Diese Kategorie wird nicht täglich erscheinen, sondern nur gelegentlich.)
Wer seinen Blick auf Twitter gen Osteuropa erweitern möchte, ist hier gut aufgehoben, zumal sich Eva Konzett um das hierzulande wenig beachtete Rumänien kümmert. Dabei können wir von diesem Land so einiges über Investitionsschutzabkommen lernen.
Was war?
Hat der Westen 2012 die Chance verpasst den Krieg in Syrien zu beenden? Ich hatte meine Zweifel. Auch Foreign Policy betreibt nun debunking des Guardian Artikels. Die klare Antwort: Nein. Auffällig bleibt der Zeitpunkt dieses zurechtinterpretierten „Leaks“.
Themen in Beobachtung
- Der Reboot des literarischen Quartetts hat heute, damit die künftigen Zuschauer sich vorbereiten können, die zu besprechenden Bücher veröffentlicht. Wer sich ernsthaft vorbereiten möchte, besucht Youtube und schaut alte Folgen. Sie haben nichts von ihrem Charme verloren und manch Zuschauer meint noch heute, dass es nur selten wirklich um Literatur ging.
- Wer sich schon immer fragte, was Gender Studies sind und ob man sie in ihrer momentanen Verfassung braucht, könnte einen Blick risikieren.
- Etwas gesitteter geht es zwischen der Ukraine und Russland zu. Bis Oktober soll ein Winterdeal für Gaslieferungen geschlossen werden. Im Falle eines normalen Winters bräuchte die Ukraine kaum Gas aus Russland importieren. Im Falle eines kalten Winters drohen Kosten bis zu 3,3 Mrd. USD. Eine ausführliche Analyse. Auch diese „Einigungen“ zwischen der Ukraine und Russland fällt nun in den Oktober.
Der Artikel ist nicht mehr ganz aktuell, denn Poroschenko hat mittlerweile einen Rückzieher gemacht. Es gab intern wohl einen Machtkampf und so ganz ersichtlich ist mir der Verlauf der Fronten momentan nicht.
Poroshenko backtracks on sanctioning BBC journalists, presume rest w follow. Am told P v embarrassed by mess https://t.co/ANgaiQAETS
— Oliver Carroll (@olliecarroll) 17. September 2015
Was jetzt zumindest zeitweise passierte ist, ist genau das, was befürchtet wurde, als die Ukraine damit begann ihre Gesetze gegen russische Propaganda zu erlassen. Die Beobachtung ist geläufig: Wenn ein Staat erst einmal die Möglichkeit der Zensur hat, nimmt er sie auch irgendwann in Anspruch. Die Gegner und Ziele wandeln sich, die Gesetze werden nicht abgeschafft. Jetzt wurden kurzzeitig Einreisesperren gegen Reporter der BBC verhängt. Zwar gibt es eine Begründung, die Grenzüberschreitung von der russischen Seite aus nach Donezk (besetztes Gebiet) ohne Genehmigung durch die Behörden der Ukraine. Und man kann argumentieren, dass die BBC mit diesem nicht genehmigten Grenzübertritt quasi die territoriale Verschiebung zu Gunsten Russlands anerkannt hat. Zugleich äußerte die Ukraine aber auch Unzufriedenheit über die Berichterstattung der BBC. Ein ebenfalls betroffener Deutscher, Michael Rutz, ist Mitglied im Lenkungsausschuss des deutsch-russischen Petersburger Dialogs. Den Herrn würde ich nicht mehr als Journalisten sondern als Politiker bezeichnen. Seine Rolle hat sich geändert.
Die Ukraine hat das negative Potenzial ihrer momentanen Gesetzgebung aufgezeigt. Sie nutzte ihre Eingriffsmöglichkeiten sehr gezielt und berief sich dabei auf Formalitäten, bei denen im Zweifel Kulanz angebracht wäre. Das heißt, es wurde im Zweifel gegen den Journalismus entschieden. Trends dieser Art bauen sich tendenziell aus und nicht ab. Die Konsequenz kann also nur sein, dass die entsprechenden Gesetze nun endgültig abgeschafft werden. Das wird nicht geschehen.
Insgesamt betrifft der Erlass des Präsidenten Petro Poroschenko fast 400 Organisationen und Personen. So muss etwa die russische Fluglinie Aeroflot Einschränkungen hinnehmen, ukrainische Behörden dürfen die Antivirussoftware des russischen Anbieters Kaspersky nicht verwenden.
- China und Belarus vertiefen ihre Beziehungen (Jamestown)
Vor ein paar Monaten wurde seitens des österreichischen Wirtschaftsblattes ein Dossier über die Reanimation der Seidenstrasse veröffentlicht. Man konzentrierte sich dabei vor allem auf Osteuropa, weil die EU hier das Feld den Chinesen überlässt. Man hat mit den eigenen Problemen genug zu kämpfen und daher kein Geld über. Gemeint waren Staaten wie Serbien, Kroatien etc. Einer der Ankerstaaten der Seidenstrasse ist jedoch Belarus. Die dortige Wirtschaftskrise, aber auch das Streben nach mehr Unabhängigkeit von Russland, führt zu einer immer stärkeren Öffnung gegenüber China. Der Bevölkerungsanteil der russischen Diaspora liegt bei 8,3% und der dazugehörige Propagandasender RT ist ebenfalls stark vertreten. Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine versucht der weißrussische Präsident Poroschenko sich auch ein Stück weit gen EU zu positionieren.
Since China and Belarus established diplomatic relations 23 years ago, bilateral trade has risen from $40 million to nearly $4 billion in 2014 [..] Belarus, located in the eastern region of the East European Plain, borders Russia in the east and EU members Lithuania and Poland in the west. In the south, it connects with the Black Sea via Ukraine, making it an important Eurasian transport and logistics hub.
Vergessen in der Berichterstattung der großen Zeitungen, wäre wohl die richtige Formulierung. In diesem Format hier fand der Jemen bereits statt. Es ist einer der Kriege, in dem die USA eine sehr unrühmliche Rolle spielen, denn die Aggression Saudi Arabiens ist vor allem durch Unterstützung der USA möglich. Es sind auch ihre Drohnen, die dort vorwiegend Zivilisten töten.
Warum?
Das Problem von Obama ist, dass er den Iran-Deal durchbekommen möchte. Der engste Verbündete der USA in der Region ist Saudi Arabien, die wiederum gegen den Iran-Deal sind. Der Support des Geschäfts muss sich also erkauft werden und Saudi Arabien hat den Preis hoch angesetzt. In den offiziellen Gesprächen geht es um eine Aufrüstung des Landes und in diesem Sinne würde ich auch die Genehmigungen von Waffengeschäften durch Sigmar Gabriel an Saudi Arabien interpretieren. Es sind Nebenabsprachen. Einen Krieg, über den niemand spricht, kann man leicht erdulden. Auch die Wirtschaft profitiert davon. Die Frage, die sich bisher kaum jemand zu stellen scheint, ist, mit wieviel menschlichem Leid der als historisch gefeierte Iran-Deal erkauft wurde. Der Jemen gibt einen klaren Hinweis. Bezeichnenderweise wird der Gegenpart des saudischen Wirkens im Jemen durch den Iran gestützt. Ein Proxywar. Auf Qantara.de gab es im Mai eine Analyse der Lage, seitdem ist aber auch dort die Berichterstattung recht dünn gewesen.
Notiz: Der Wassermangel im Jemen wird noch seltener besprochen. Bomben scheinen den Blick zu trüben.
Die fast vollständige Blockade Jemens zu Land, zu See und in der Luft zusammen mit dem pausenlosen Bombardement haben sich inzwischen zu einer völkerrechtswidrigen Kollektivstrafe gegen die Bevölkerung ausgewachsen.
Stopover in Serbia: Breaking Borders (Dispatch 4)
Nächste Buchrezension im Blog:
- Zacharias Amer – Zenobia
Buch (am Lesen):
Gabriel Tarde – Masse und Meinung
Bücher (zu lesen):
- Lena Gorelik: Null bis unendlich (Ich schätze Lena Gorelik sehr. Sie hat in den letzten Jahren einen großen Sprung gemacht, dieser Roman könnte ihr Durchbruch sein.)
- Atef Abu Saif: Frühstück mit der Drohne (Aus der Sicht einer Privatperson. Angeblich mit Aussparung von Propaganda. Ein neues Genre?)
- Sabine Rennefanz: Die Mutter meiner Mutter (Von ihrem Erstling “Eisenkinder” war ich sehr begeistert. Hier auch ein Podcast mit der Autorin. Nun hat sie eigentlich noch einen Erstling veröffentlicht. Der erste Roman. Eine Prognose wage ich nicht.)