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Dem Deutschen bleibt nur das Sterben und Angela Merkel

Heute geht es um Angela Merkel und wie man angemessen stirbt.

Kommentar

Was ist den Worten der deutschen Bundeskanzlerin bei Anne Will zu entnehmen? Wer die Diskussion ein wenig verfolgt, verspürt eine starke Wahrnehmungsdifferenz der verschiedenen Lager. Bei dem Thema gibt es für mich an für sich wenig zu sagen, denn ich stehe so ziemlich zwischen den Fronten und bin am ehesten bei Merkel. Aber es scheint mir etwas sonderbar, dass selbst klare Aussagen von Merkel einfach ignoriert werden.

Das fängt damit an, dass Merkel von vorneweg bei Anne Will betont, dass ein großer Teil ihrer Aufgabe in dieser Sache nicht in Deutschland liegt, sondern im Ausland. Doch fangen wir von vorne an.

  1. Deutschland empfängt seine Gäste freundlich und wird sie gut behandeln.
  2. Es gibt verschiedene Statistiken, die zu unterschiedlichen Zahlen führen. Die bisher höchste Erwartungszahl für 2015 liegt bei 1,5 Mio. Menschen. Damit ist eine Obergrenze für all jene gesetzt, die umbedingt Zahlen zum Denken brauchen.
  3. Die Kanzlerin wird sich nicht daran beteiligen, aus diesen Zahlen die vermeintlich richtigen zu extrahieren. Es kommen viele Menschen und das hat dieses Land zu bewältigen.
  4. Peter Altmaier wird für die Binnenkoordination seitens des Kanzleramtes zuständig sein und sich dabei auch mit dem Innenministerium abstimmen.
  5. Der Verwaltungsvorgang muss und wird beschleunigt werden.
  6. Merkel wiederum sieht ihre Aufgabe vor allem im Ausland gelegen. Es muss Überzeugungsarbeit in der EU geleistet werden und es müssen die Probleme dort angegangen werden, wo die Flüchtlinge herkommen.
  7. Das heißt, in erster Linie wird man mit der Türkei und Jordanien sprechen müssen. Die Türkei, als Nato-Partner, hat eine engere Bindung an Deutschland und auf diesem Wege wird auch verhandelt. Visaerleichterungen sind gesetzt.
  8. Deutschland wird sich künftig mehr um seine Außenpolitik kümmern.
  9. Flüchtlinge können sich ihr Wohnland nicht einfach aussuchen. Es wird zu einer Verteilung innerhalb der EU kommen müssen. Dafür kämpft sie innerhalb der EU.
  10. Wenn in Syrien wieder Frieden herrscht, wird es eine Remigration geben. Einzelfälle werden bleiben können, das Gros wird aber zurückkehren müssen.
  11. Wirtschaftsflüchtlinge werden schnellstmöglich zurückgeschickt.

Wenn man in diesem ganzen Gespräch, das durchaus von Wiederholungen durchsetzt war, wirklich eine Neuigkeit finden wollte, dann war es Punkt sieben. Merkel hat diesen Punkt von Anfang an klar gemacht und sie hat ihn mehrfach wiederholt. Deutschland wird sich künftig mehr um diese Welt kümmern und das nicht bevorzugt in Form militärischer Interventionen sondern auf diplomatischem Wege.

Es ist durchaus bezeichnend, dass die größte Kritik an Merkel nun ist, dass sie keine genauen Zahlen nannte. Warum aber sollte sie, wenn die höchste Nummer für dieses Jahr mit 1,5 Mio. gesetzt ist und die Vergangenheit zeigt, dass auch Statistiken sehr stark von Ängsten und somit von Übertreibungen geprägt sind? Während des Jugoslawienkrieges waren angeblich 1 Mio. Menschen auf dem Sprung „in die Wohlstandsfeste Europa“. Im Nachhinein weiß man von 734.970 Menschen, die in Europa ankamen.

Was die Remigration betrifft, weist uns der Jugoslawienkrieg den Weg. Von einst 350.000 Flüchtlingen in Deutschland, durften am Ende weniger als 20.000 bleiben.

Vielleicht wird dadurch auch klar, warum ich mich mit diesem neuen Format im Blog hier auch kaum um das Thema Flüchtlinge kümmere, sondern hauptsächlich um die geopolitischen Aspekte ihrer Herkunft. Wir führen in diesem Land eine Scheindiskussion, die weder mit unserem, auf den Menschenrechten basierenden, Wertesystem vereinbar ist, noch ein dauerhafter Zustand sein wird. Wozu das alles aber durchaus taugt, ist, dass die verkrusteten Strukturen unserer Verwaltung aufgebrochen werden. Gerade die Einwanderungsbehörden sind nach allem was man aus ihrer Funktionsweise erfährt, vor allem auf Abwehr ausgerichtet. Das gilt nicht nur für die Armen dieser Welt, sondern auch für Reiche oder den Mittelstand. „Der Fremde“ ist hier behördlich wenig willkommen.

Das verändert sich gerade und mit der Neuausrichtung der Außenpolitik, wird es zusätzlich eines ganz neuen Blickes auf das politische Handeln in diesem Land geben müssen. Die absolut miese Auslandsberichterstattung vieler deutscher Medien, sofern sie denn überhaupt vorhanden ist, steht, was den Bedarf betrifft, vor radikal neuen Anforderungen.

Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass in Deutschland eine Reanimation der konservativen Kräfte stattfindet. Es war die FAZ, die sich nun auch besonders intensiv an Merkels nicht genau genannten Zahlen festbeißt, die der AfD und ihren Trieben bis heute sehr viel Platz einräumte. Wie bei jedem Trend, ist diese Diskussion eine Art Bindungsritual der entsprechenden Kräfte. Es findet sich gerade zusammen, was meint zusammenzugehören. Das deutet auf den Höhepunkt der Welle hin, die einst durch Leute wie Sarrazin ausgelöst wurde und die anschließend eine immer sanftere Tonart finden musste, um mehr gen Mitte der Gesellschaft rücken zu können.

Hierin liegt eine weitere wichtige Botschaft Merkels. Sie bleibt verlässlich und sie wird die eingeschlagene Richtung trotz aller Widerstände in den eigenen Reihen fortsetzen.

Themen in Beobachtung

Eine wundervolle Bilderstrecke über den Herbst, die „das Menschliche“ in Bayern gleich mitreflektiert. Der Kontrast zur Natur könnte kaum eindrücklicher dargestellt werden.

Deutschland ist ganz gut dabei, aber wie man es sich so dachte, so scheint es auch zu sein. Abzüge gibt es bei der Qualität der Versorgung. Auf knapp 50 Seiten wird man ausführlich auf alles informiert, was es beim Sterben zu bewerten gibt. Allein dafür hat mir der Bericht getaugt. Nun werde ich mich die nächsten 50 Jahre ausführlich vorbereiten können. So wie mir, geht es scheinbar vielen, denn das Thema gewinnt immer mehr an Aufmerksamkeit. In Deutschland selbst äußert sich das an Diskursen über die Sterbehilfe und ähnliches. Und die Bevölkerung wird hierzulande ja auch nicht jünger. Da bleibt ihr nur das Sterben.

Wer sich nur für Deutschland interessiert, wird in der Länderübersicht auf Seite 26 fündig.

Germany is home to a well-regulated and efficient system of palliative care. Patients benefit from affordable high-quality care across its federated states.

Eine Krise, die nicht ganz vergessen werden sollte. Brazilen befindet sich in der Rezession und auch andere Staaten Lateinamerikas haben ihre speziellen Sorgen. Der niedrige Ölpreis trägt seinen Teil dazu bei. Interessant ist das Thema auch unter dem Gesichtspunkt, dass momentan weder China noch Lateinamerika als globaler Wachstumstreiber herhalten können. Europa taugte dazu nie, während die USA momentan ja auch nicht so recht will.

But the current period—characterized by low or no growth (or, as in the case of Brazil, deep recession), currency devaluations, rising unemployment, public-spending cuts, and falling incomes—has several new dimensions. One is that the economic boom that just passed benefitted the region’s poorest citizens more broadly than past periods of growth did, according to José Juan Ruiz, the chief economist at the Inter-American Development Bank (IDB).

Unser am Export orientiertes Deutschland wird momentan von allen Seiten in die wirtschaftliche Zange genommen wird. Derweil mehren sich die Gewinnwarnungen aus den USA und innerhalb Europas. Besonders der Mittelstand tut sich schwer. Trotz aller Signale, hat momentan fast niemand größere Verwerfungen in Lateinamerika auf dem Schirm.

Krieg gegen Boko Haram

Nächste Buchrezension im Blog:

  • Robert James Fletcher – Inseln der Illusionen

Buch (am Lesen):

  • Saskia Sassen  – Ausgrenzungen: Brutalität und Komplexität in der globalen Wirtschaft (Auf das Buch stieß ich während meines Berlin-Besuchs. Es passt sehr gut zu den vielen Gesprächen die ich führte und die hier noch zu verarbeiten sein werden.)Wendy Brown – Die schleichende Revolution: Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört (Es ist mir entgangen, dass

Bücher (zu lesen):

  • Wendy Brown auch endlich ein Buch in Deutschland veröffentlichen darf. Lange genug hat es gedauert und ich habe an verschiedenen Stellen dafür geworben, da sie eine der schärfsten Beobachterinnen unserer Zeit ist.)
  • Katja Gloger – Putins Welt (Der Berlin Verlag stellt mir netterweise eine Rezensionsexemplar zur Verfügung. Das Buch kommt in die Reihe, da mir mehrere Empfehlungen zukamen. Ich versuche keine Erwartungen hineinzulegen.)
  • Ray Bradbury – Fahrenheit 451 (Für mich dann abschließendes Werk aus der (Gegenwartsdystopie-Reihe.)

 

Marco Herack
Marco Herack

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Category Notizen

One Comment

  1. TiniDo TiniDo

    Oh wunderbar, dass du Wendy Brown besprechen wirst! Ich bin schon sehr gespannt.

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