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Wildhüterinnen für Lüders und Brzeziński

Heute ist es etwas Videolastig. Es geht um die Vergangenheit und um gefühlte Wahrheiten. Wie kann man sinnvoll in und auf diese Welt blicken? Außerdem umzingelt Russland die Ukraine und China bewertet seine Bürger.

Was war?

  • Afghanistan

Wie gestern erwartet, tun sich die USA schwer, ihren Angriff auf ein Krankenhaus in Kundus einzugestehen. Die Informationslage wird dichter, es war nun ein von der afghanischen Armee angeforderter Luftschlag. Dass da ein Krankenhaus steht, wusste man aber wohl trotzdem und das dürfte der Knackpunkt werden. Angeblich wurde man von dem Krankenhaus aus beschossen. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten sich dem Fall zu nähern. In den großen US-Medien entschloss man sich, die Story klein zu halten. Ein anderes US-Medium widmet sich dem ausführlich. Ein sehr lesenswerter Artikel von FAIR.

  • Medien und Kritik

In Deutschland ist man sehr schnell dabei, die großen Medien und ihre freien Helfer zu verdammen. Deswegen gibt es immer mehr „Medienkritiker“ und auch immer mehr alternative Informationsangebote. Eines dieser alternativen Angebote widmet sich der Bundespressekonferenz und wird von Thilo Jung produziert. Er kokettiert damit, dass es sich um Informationen für Desinteressierte handelt und konzentriert sich dabei zunehmend auf „gefühlte Wahrheiten.“ Ein schönes Beispiel hierfür ist ein Vergleichsvideo zu Statements der Bundesregierung zum Thema Syrien.

Nun fängt es damit an, dass Frankreich gegen ISIS agiert und Russland gegen die syrische Opposition, während es behauptet ISIS zu bombardieren. Und ab da beginnt es nicht nur kompliziert, sondern anspruchsvoll zu werden. Der Grund, warum Syrien an dieser Stelle ein regelmäßiges Thema ist, liegt in der sich ansammelnden Informationslage. Das ist alles wenig knallig, das Bild entsteht langsam. Man kann natürlich auch die Ressentiments eines Publikums bedienen, sollte sich dann aber nicht wundern, wenn man des Journalismus nicht verdächtigt wird. Die Verlinkungen und auch die Kommentare zu dem Video geben jedenfalls einen guten Hinweis darauf, in welcher Ecke des Internets für solcherlei Begeisterung herrscht.

Kommentar

Eine Leserin sendete mir den Hinweis auf einen Vortrag des „Nahost-Experten“ Michael Lüders. Ich muss gestehen, dass ich das Video ganz fasziniert angeschaut habe.

Es ist nicht so, dass Lüders große Unwahrheiten verbreitet. Es ist vielmehr so, dass Lüders ganz im Stile eines Michael Moore, Informationen weglässt. In diesem speziellen Fall konzentriert er sich auf die Informationen aus den USA, über die USA, und zeichnet dann ein dystopisches Bild der Weltschacherer. Opfer sind dabei die Mullahs, die Russen, die Taliban und irgendwie auch ISIS. Von den Chinesen und ihrem Treiben im Nahen Osten will man in Deutschland ohnehin nichts wissen. Nur ist es beispielsweise China, dass in Afghanistan die Friedensverhandlungen mit den Taliban überhaupt erst ermöglichte. Sie sind bisher deren Garant, aufgrund ihrer guten Beziehungen zu dieser Gruppierung. Es gäbe also noch soviel mehr zu berücksichtigen, als nur die USA.

Natürlich kann Lüders sich auch den hierzulande sehr beliebten Zbigniew Brzeziński nicht ersparen. Er beruft sich auf ein Interview, dass dieser im Jahre 1989 gegeben hat. Brzeziński erklärt in diesem Interview seine eigene Brillianz in Bezug auf den Niedergang der Sowjetunion. Lüders sieht darin ein offenherziges Gespräch, in dem endlich mal einer sagt was Sache ist. Ich vermute eher, dass da jemand um seinen Platz in den Geschichtsbüchern kämpfte und auch seinen Marktwert steigerte. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, dass die USA nur einen Berater beschäftigten und diesen als Mastermind wirken ließen. So funktioniert Politik nicht, aber Marketing. In jedem Fall wäre es jedoch besser gewesen die Sowjetunion nicht zu besiegen, denn es brachte uns die islamischen Terroristen.

Ähnlich spannend finde ich Lüders Schablone für Machtumstürze. Er nimmt ein offensichtliches und richtiges Beispiel, den Iran, und sagt dann, dass es bei jedem Konflikt so laufen würde. Man macht den Gegner zur Unperson und dann greift man militärisch ein. Stimmt, und dass es so läuft liegt an einer simplen Eskalationsspirale die bei einem geplanten Umsturz genauso funktioniert wie bei dem Versuch eine Situation nicht eskalieren zu lassen. Man kann sich als nichtteilnehmender Betrachter dann immer die eigene Wahrheit aussuchen. Die Analyse per Handlungschablone ist recht unsinnig.

Noch störender empfinde ich aber das Fehlen jeglichen Nachdenkens über Prozessdynamik. Es gibt eine Anzahl an Protagonisten und die müssen Dinge tun. Auch wenn sie nicht handeln, ist das eine Handlung und hat Konsequenzen. Kümmert man sich fünf Jahre lang nicht um den Krieg in Syrien, dann beginnen die Kriegsflüchtlinge sich ein neues Leben zu suchen und auch eine neue Heimat. Zieht man seine Truppen in Afghanistan ab ohne vorher entsprechenden Ersatz erzeugt zu haben, dann stärkt das die gegnerischen Kräfte. Prozesse, die angestoßen sind, setzen sich fort. Man nennt das auch Leben und es gibt eine gewisse Unausweichlichkeit.

Es steht außer Frage, dass die USA Fehler gemacht haben. Ebenso wenig steht in Frage, dass die USA unter Bush viel Übel in dieser Welt angerichtet hat. Wir wissen aber auch, dass Demokratien nicht nur Fehler produzieren, sondern auch lernfähig sind. Leider sind sie lernfähig und produzieren trotzdem Fehler. Das heißt aus dieser moralischen Diskussion lässt sich wenig ableiten. Ja, es war doof. Ja, es ist jetzt besser. Aber keinesfalls ist das Handeln der Diktaturen dieser Welt dadurch legitimer geworden.

Wer lebt, der sät. Wer sät, der erntet Wind, denn er handelt in die Welt hinein.

Themen in Beobachtung

Vor einiger Zeit hat China angekündigt ein Bürgerranking einführen zu wollen. Eine Art Google, das alle Daten zusammenführt und den Bürger, inklusive seines rüden Benehmens im Internet, in eine Zahl gießt.

This scheme is far more sinister than it seems at first, as you’re also getting assorted immediate privileges based on this credit score:

If your credit score reaches 600, you have the privilege of an instant loan of about $800 without collateral when shopping online.

At a score of 650, you may rent a car without leaving a deposit.

At 700, you get access to a bureaucratic fast track to a Singapore travel permit.

And at 750, you get a similar fast track to a coveted Schengen visa.

There are many more examples – these are just to illustrate.

Es macht ja keinen Sinn, die Menschen einzusperren. Man muss sie nur richtig führen und ihnen für ordentliches Betragen ein paar Erleichterungen ermöglichen. In der DDR gab es Orden, aber das war noch sehr nah an den Methoden von Lenin dran. Man war nicht sehr innovativ. Mit der Digitalisierung kommen ganz neue Möglichkeiten. Doch statt in Anreizsystemen zu denken, würde ich vorschlagen in Repressionsmaßnahmen zu bedenken. Man kann ja auch in Deutschland eine saubere Schufa-Auskunft haben und im internen Kundenrating der Banken eine Nullnummer sein. Ein Staat wie China wird sich über zu niedrige Punktzahlen zweifelsohne Gedanken machen, denn das zeigt doch die (potenziellen) Dissidenten.

Ab 2020 könnte der Spaß dann endgültig verbindlich sein. Für uns in Europa ist das nicht ganz so unbedeutend, denn wenn China in dieser Welt „mehr Verantwortung übernimmt“, meint die USA zunehmend entlastet, dann werden die Triebe dieser Ideologie zu blühen versuchen.

Snowden, in his first interview with the BBC since he disclosed the documents two years ago, said: “I’ve volunteered to go to prison with the government many times. What I won’t do is I won’t serve as a deterrent to people trying to do the right thing in difficult situations.”

So ist der frei und bleibt als abschreckendes Beispiel in Russland. Zugegeben, die Variante dürfte fast jedem lieber sein.

In Konflikten jedweder Art sind die Randerscheinungen am interessantesten, weil sie auf die Nachhaltigkeit der Entwicklung schließen lassen. Russland baut beispielsweise eine neue Eisnbahnstrecke, da die vorherige durch die Ukraine fuhr. Der Beschluss wurde in 2014 gefasst und soll in 2018 finalisiert werden. Zweifelsohne gibt es in diesem Konflikt nicht nur diesen einen Hinweis darauf, dass es zunächst keinen Weg zurück geben wird.

While Moscow complains often and loudly about the North Atlantic Treaty Organization’s (NATO) perceived encirclement efforts, Russia’s rail bypass and severing of Black Sea ferry connections is having a similar effect on Ukraine, just as the closure of railways in separatist Abkhazia ended Georgia’s options for a rail link through Russia westward to Europe.

Und natürlich ist das alles mal wieder nicht einfach so und sehr strategisch gedacht. Man tut, was man anderen vorwirft und bezieht daraus wiederum seine eigene Paranoia. Denn man selbst ist ja gut, wie böse müssen dann erst die anderen sein?

Wildhüterinnen

Nächste Buchrezension im Blog:

  • Robert James Fletcher – Inseln der Illusionen

Buch (am Lesen):

  • Wendy Brown – Die schleichende Revolution: Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört (Es ist mir entgangen, dass Wendy Brown auch endlich ein Buch in Deutschland veröffentlichen darf. Lange genug hat es gedauert und ich habe an verschiedenen Stellen dafür geworben, da sie eine der schärfsten Beobachterinnen unserer Zeit ist.)

Bücher (zu lesen):

  • Saskia Sassen  – Ausgrenzungen: Brutalität und Komplexität in der globalen Wirtschaft (Auf das Buch stieß ich während meines Berlin-Besuchs. Es passt sehr gut zu den vielen Gesprächen die ich führte und die hier noch zu verarbeiten sein werden.)
  • Katja Gloger – Putins Welt (Der Berlin Verlag stellt mir netterweise eine Rezensionsexemplar zur Verfügung. Das Buch kommt in die Reihe, da mir mehrere Empfehlungen zukamen. Ich versuche keine Erwartungen hineinzulegen.)
  • Ray Bradbury – Fahrenheit 451 (Für mich dann abschließendes Werk aus der (Gegenwartsdystopie-Reihe.)
Marco Herack
Marco Herack

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